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Zusammenfassung Heft 39

 

Freiburger Bodenkundliche Abhandlungen

Schriftenreihe des

Institut für Bodenkunde und Waldernährungslehre
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br.
Schriftleitung: P. Trüby


Heft 39


Martin Kohler

Ionenspeicher- und Ionenmobilisierungspotentiale
der Skelettfraktion von Waldböden im Schwarzwald



Freiburg im Breisgau 2001

ISSN 0344-2691

Zusammenfassung:

Bei den herkömmlichen bodenchemischen Analysemethoden bezieht sich die ökochemische Charakterisierung des Bodens in der Regel nur auf den Feinbodenanteil. Der Grobboden (Korndurchmesser > 2 mm) wird verworfen. Dabei wird unterstellt, dass das Bodenskelett keine kurzfristigen Beiträge zur Waldernährung und zum Stoffkreislauf liefert. Das Skelett wird allenfalls im Zeitraum von Jahrzehnten bis Jahrhunderten als bedeutsamer Faktor des loneninputs durch Verwitterung betrachtet.

Zur Überprüfung dieser Betrachtungsweise wurde in Laborversuchen isoliertes und gereinigtes Bodenskelett, Feinboden und natürlich gelagerter Gesamtboden auf kurz- bis mittelfristige lonenspeicher- und lonenmobilisierungspotentiale untersucht. Dazu wurden 3 Waldstandorte im Schwarzwald auf Gneis (Conventwald), Granit (Schluchsee) und Buntsandstein (Altensteig) beprobt. In einem offenen Perkolationssystem wurden unter kontrollierten Wasserspannungen Bodenporenlösungen (BPL) gewonnen. Es wurden wasserlösliche und austauschbare Ionen extrahiert. Außerdem wurde der Mineralbestand des Bodenskeletts und des Feinbodens röntgendiffraktometrisch untersucht.

Schwerpunkt der Untersuchungen war der Standort Conventwald. Hier wurden zusätzlich mikropedologische Untersuchungen durchgeführt mit der Zielsetzung, Verwitterungszonen im Bodenskelett in Abhängigkeit von der Korngröße zu quantifizieren sowie Verteilungsmuster von (Mykorrhiza-) Pilzhyphen und Feinwurzeln in ihrer natürlichen, mikromorphologischen Umgebung zu bestimmen.

Die Ergebnisse der Modellversuche zeigten, dass die ökochemische Bedeutung des Bodenskeletts je nach Standort unterschiedlich zu beurteilen ist. Auf dem Gneisstandort Conventwald ist das Bodenskelett unterhalb des Ah-Horizontes der „Hauptspeicher" für austauschbar gebundene Nährelemente. Mehr als 80 % des im natürlich gelagerten Gesamtboden austauschbar gebundenen Ca und Mg stammen vom Bodenskelett. Dieser Befund ist im Hinblick auf die Interpretation von „konventionell" erhobenen bodenchemischen Kennwerten von großer Bedeutung. So liegen an diesem Standort die Basensättigungen der homogenisierten Feinerde unterhalb des Ah-Horizonts auf einem alarmierenden Niveau (BS < 5 %). Gleichzeitig zeigt der aufstockende Buchen-Mischbestand eine gute Wuchsleistung  mit Blattspiegelwerten, die im  Bereich einer normalen Nährelementversorgung liegen. Die Erklärung für dieses auch an anderen Standorten oft beobachtete Plausibilitätsdefizit könnte in der Speicherfunktion des Bodenskeletts für austauschbar gebundene Nährelemente liegen. Die mikropedo-logischen Untersuchungen am Standort Conventwald zeigten, dass das Bodenskelett von (Mykorrhiza-) Pilzhyphen erschlossen wird. Netzwerkartig durch die Steine ziehende Mikroklüfte waren in den mit lockerer Feinsubstanz gefüllten Bereichen mit Pilzhyphen besiedelt. Außerdem wurden Hyphen gefunden, die scheinbar ohne das Vorhandensein von erkennbaren Verwitterungszonen in den Mineralverband der Steine eindrangen („rock eating fungi"?). Häufig waren Hyphenclusterungen auch im unmittelbaren Übergangsbereich zwischen Bodenskelett und angrenzender Bodenmatrix bzw. Porenraum zu beobachten.

Röntgendiffraktometrisch konnten in den Verwitterungszonen des Bodenskeletts in situ-Tonmineralbildungen nachgewiesen werden („vermiculitisierte Kavitäten"). Da die Verwitterungsprozesse hauptsächlich im Inneren des Skeletts stattfinden, ist eine scharfe Trennung zwischen Feinboden und Skelett nicht immer möglich. Es kann von einem „Feinbodenkontinuum" gesprochen werden, das sich durch das Skelett hindurch erstreckt. Der ausschlaggebende Faktor für den insgesamt hohen Verwitterungsgrad der Skelettfraktion am Standort Conventwald liegt in den hohen Anteilen an leicht verwitterbaren, meist Fe-reichen Mineralen wie Biotit und Chlorit.

Auf den übrigen Standorten übernimmt das Bodenskelett zwar nicht die Funktion eines „Hauptspeichers", ergänzt aber als ökochemisch nicht zu vernachlässigender „Zusatzspeicher" das Gesamtangebot an austauschbar gebundenen Nährelementen im Boden. Im skelettreichen Cv-Horizont des Granitstandorts Schluchsee (Gewichtsanteile des Skeletts > 50 %) stammt immerhin die Hälfte des austauschbaren Mg- bzw. Ca-Gesamtvorrats vom Bodenskelett. Im Gegensatz zum Conventwald war am Standort Schluchsee das ultraschallgereinigte Skelett weitgehend frei von Tonmineralen, enthielt aber als Verwitterungsneubildung Fe-Oxide, die im Vergleich zu Tonmineralen nur eine geringe lonensorptionskapazität aufweisen. Die überwiegend vom Biotitanteil des Skeletts ausgehenden Tonmineralbildungen gehen in Schluchsee dagegen schnell in den Feinboden über.

Das Bodenskelett des Buntsandstein-Standorts Altensteig zeigte ähnlich hohe Kationenaustauschkapazitäten wie am Conventwald. Auch in Altensteig wurden im Inneren der Steine ablaufende Verwitterungserscheinungen beobachtet. Es wurden in situ-Vermiculitisierungen der Porenwände des Skeletts über den gesamten untersuchten Tiefenbereich gefunden. Im Vergleich der Standorte ist die ökochemische Bedeutung des Bodenskeletts in Altensteig aber aufgrund der niedrigen Skelettanteile nur gering.

In weiteren Modellversuchen an skelettreichen, natürlich gelagerten Bodenproben aus dem Cv-Horizont des Standorts Conventwald wurde der Einfluss der Kohlensäure auf die lonenfreisetzung untersucht. Zur Kontrolle des CO2-Partialdruckes in der Bodenluft wurde eine weiterentwickelte Perkolationsapparatur eingesetzt. Zur Untersuchung der kurzfristigen lonenfreisetzung wurden Gleichgewichtsbodenporenlösungen (GBPL Aqua dest. 48 h) gewonnen. Zusätzlich wurden Langzeitversuche (BPL Aqua dest.) durchgeführt, in denen im offenen System pro 90 Tage Versuchsdauer eine Jahressickerrate von 800 mm simuliert wurde

Sowohl die Kurzzeit- als auch die Langzeitversuche zeigten, welche Schlüsselrolle der CO2- Partialdruck in der Bodenluft am Standort Conventwald für die lonenmobilisierung im Übergangsbereich zwischen Pedo- und Lithosphäre spielt. Zur Beurteilung der in den Langzeitversuchen freigesetzten lonenmengen wurden Verwitterungsraten kalkuliert, die erheblich über den in der Literatur angegebenen Silikatverwitterungsraten lagen. Durch die Parametrisierung der in den Langzeitversuchen beobachteten Freisetzungskinetik mit Hilfe von Reaktionsmodellen 1. Ordnung konnte gezeigt werden, dass die Mobilisierungsraten von Ca2+ und Mg2+ nicht ausschließlich durch die Silikatverwitterung, sondern auch durch die Auflösung von schnelllöslichen Festphasen und durch Austauschprozesse zu erklären sind. Mit Hilfe der lonenbilanz wurde ein Ansatz abgeleitet, die Anteile der schnelllöslichen Festphasen und der Silikatverwitterung an der Gesamtfreisetzung zu quantifizieren. Dabei stellte sich heraus, dass die Mobilisierung aus schnelllöslichen Festphasen als fester Sockelbetrag weitgehend unabhängig vom CO2-Partialdruck in der Bodenluft verläuft. Für die Kontrollbehandlung (PCO2 0,00 bar) wurde eine Silikatverwitterungsrate von 0,5 kmolc ha-1a-1 ermittelt. Eine deutlich höhere Freisetzungs rate mit ca. 6 kmolc ha-1a-1 wurde für die Behandlung mit bodentypischem Partialdruck (PCO2 0,01 bar) berechnet, wobei dieser Betrag nicht ausschließlich durch Silikatverwitterung, sondern auch durch die Verdrängung von Mb-Kationen vom Austauscher durch AI zu erklären ist.

Abschließend wurden am Beispiel des Standorts Conventwald Möglichkeiten aufgezeigt, die in den Modellversuchen gewonnenen Erkenntnisse über gesteinsbürtige lonen-speicher- und Mobilisierungspotentiale in die bodenchemischen steady-state Modelle PROFILE und BODEN zu integrieren. Bei beiden Modellen wurde bisher die Skelettfraktion ausgeklammert und als eine inerte Matrix betrachtet, die die chemische Eigenschaften des Feinbodens „verdünnt". Die Integration der Skelettfraktion führte bei beiden Modellen zu einer Veränderung der Modellierungsergebnisse. Mit PROFILE wurde im Vergleich zur herkömmlichen Vorgehensweise eine über 30 % höhere Verwitterungsrate berechnet. Am Beispiel des Modells BODEN konnte gezeigt werden, dass bei Berücksichtigung der Skelettfraktion unter der aktuellen Säureeintragsituation die „Versauerungsfront" deutlich langsamer in den Unterboden vordringt als dies bei konventioneller Vorgehensweise prognostiziert wird.