Sie sind hier: Startseite Publikationen Freiburger Bodenkundliche … Zusammenfassung Heft 38

Zusammenfassung Heft 38

 

Freiburger Bodenkundliche Abhandlungen

Schriftenreihe des

Institut für Bodenkunde und Waldernährungslehre
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br.
Schriftleitung: P. Trüby

Heft 38


Martin Armbruster

Zeitliche Dynamik der Wasser- und Elementflüsse in Waldökosystemen
- Zeitreihenanalysen, Simulationsmöglichkeiten und Reaktion auf experimentell
veränderte Stoffeinträge in den ARINUS-Wassereinzugsgebieten



Freiburg im Breisgau 1998

ISSN 0344-2691

Zusammenfassung:

In der vorliegenden Arbeit werden die Datenreihen der Wasser- und Stoffhaushaltsuntersuchungen in den beiden ARINUS-Untersuchungsgebieten Schluchsee und Villingen im Schwarzwald für den Zeitraum November 1987 bis Oktober 1996 ausgewertet. Es werden die mittel- bis langfristigen Stoffflüsse in unbehandelten Kontrollgebieten sowie experimentell mit Armnoniumsulfat, sulfatischen Mg-/K-Mineraldüngern und dolomitischem Kalk behandelten Vergleichsgebieten dargestellt. Die Untersuchungen erfolgten in jeweils benachbarten, standörtlich vergleichbaren, vollständig mit Fichte bestockten Wassereinzugsgebieten. Neben der Erfassung des Freilandniederschlages bestanden in allen Einzugsgebieten Meßflächen zur Bestimmung des Bestandesniederschlages, zur Gewinnung von Sickerwasser, zur Messung der Bodenfeuchte und zur Erfassung des Gebietsabflusses. Am Standort Villingen ermöglichten Brunnenfassungen zusätzlich eine Beprobung des Grundwassers. Der geologische Untergrund der beiden Standorte - Granit bzw. Buntsandstein - deckt zwei Hauptgesteine des Schwarzwaldes ab. Am Standort Schluchsee stockt ein 50 - 80jähriger Fichtenreinbestand auf gut durchlässigen, lehmig-sandigen Podsolen. In Villingen handelt es sich um einen 90 - 130jährigen Fichtenaltbestand auf sandig-lehmigen Pseudogley-Braunerden bzw. Stagnogleyen. Zielsetzung der Arbeit war neben der Analyse der zeitlichen Veränderungen der Stoffflüsse in den unbehandelten Kontrolleinzugsgebieten die Untersuchung der Veränderungen durch experimentelle N- und S-Behandlungen sowie durch praxisübliche Kalkung bzw. Mg-(K)-Düngung. Außerdem sollte das bestehende Stoffhaushaltsmodell NuCM auf seine Eignung zur Simulation der Wasser- und Stoffflüsse auf Einzugsgebietsebene sowie die Möglichkeit zur Simulation der experimentellen Behandlungen getestet werden. Die langjährigen Gebietswasserbilanzen sind plausibel und zur Berechnung von Stoffflüssen als hinreichend genau anzusehen. Die Differenzen zwischen langjährigen Mittelwerten der potentiellen Evapotranspiration und dem Restglied der Wasserbilanz sind v. a. am Standort Schluchsee der meßtechnischen Unterschätzung von Schnee- und Nebelniederschlag zuzuordnen. Der Untersuchungszeitraum war in seiner hydrologischen Ausprägung langfristig repräsentativ. Zur Quantifizierung der Sickerwassermengen als Voraussetzung zur Berechnung von Stoffflüssen mit dem Bodensickerwasser wurde für die Bestandesmeßflächen das physikalisch-deterministische Bodenwassertransportmodell WHNSIM verwendet. Die Repräsentativität der auf den Bestandesmeßflächen bestimmten Sickerwasserflüsse wurde durch den Vergleich mit der Einzugsgebietswasserbilanz überprüft. Die Wasserflüsse wiesen im Untersuchungszeitraum keine zeitliche Entwicklung auf.

Zur Untersuchung zeitlicher Veränderungen der Stoffflüsse in den Kontrollgebieten wurde ein saisonales Regressionsmodell verwendet. In den im Vergleich zu anderen Waldstandorten in Mitteleuropa gering atmogen belasteten ARINUS-Untersuchungsgebieten gingen im Untersuchungszeitraum die Ca2+- und SO42~-Einträge um 20 - 25 % zurück. Hingegen blieb der N-Eintrag mit dem Bestandesniederschlag nahezu unverändert. Die rückläufigen S-Einträge spiegeln sich sowohl im Bodensickerwasser als auch im Gebietsaustrag in rückläufigen SO42-Konzentrationen wider. Der Rückgang im Gebietsaustrag liegt allerdings unter dem beobachteten Rückgang im Eintrag, was der bislang unvollständigen Reversibilität des zu Zeiten höherer atmogener S-Einträge im Boden akkumulierten S zugeschrieben wird. Dem tieferen Mineralboden und der Gesteinszersatzzone kommt dabei entscheidende Bedeutung für die Speicherung zu. Die rückläufigen SO42--Kon-zentrationen führten im tieferen Bodensickerwasser zu einem Anstieg der Säureneutralisationskapazität. Im Gebietsaustrag war dagegen kein Anstieg der Säureneutralisationskapazität nachzuweisen. Trotz nahezu unveränderter N-Einträge war an beiden Standorten keine Tendenz steigender N-Austräge festzustellen. Dies gilt auch für den Standort Schluchsee, der nach bestehenden Definitionen als ,,N-gesättigt" anzusehen ist.

Die Ausbringung sulfatischer Düngemittel, die an beiden Standorten zur beabsichtigten Verbesserung des Ernährungszustandes bezüglich Mg bzw. K führte, bewirkte im Bodensickerwasser neben erhöhten Konzentrationen der zugegebenen Elemente S, Mg und K v. a. im direkten Folgejahr der Behandlung hohe AI-Konzentrationen und eine starke Erniedrigung der Säureneutralisationskapazität. Die Auswirkungen der Behandlungen auf den Gebietsaustrag unterschieden sich an den beiden Standorten deutlich. So waren in Schluchsee bei vorwiegend vertikalem Wasserfluß und ausgeprägten Pufferungsprozessen im tiefen Sickerkörper (Freisetzung von basisch wirksamen Kationen, Ausfällung von AI-Verbindungen) keine langanhaltenden negativen Einflüsse der MgSO4-Behandlung auf den Bachwasserchemismus zu erkennen. Die Mg-Auswaschungsverluste waren mit 20 % der ausgebrachten Mg-Menge acht Jahre nach der Behandlung vergleichsweise gering. Am wechselfeuchten und überwiegend lateral entwässernden Standort Villingen zeigten sich dagegen im Bachwasserchemismus stärkere und längeranhaltende Veränderungen. Die Ergebnisse verdeutlichen, daß neben der Sorptionsfähigkeit des Oberbodens für Mg2+ (K+) und SO42- die Risiken einer Behandlung mit sulfatischen Düngemitteln besonders von den Fließwegen und den Puffereigenschaften des tieferen Untergrundes abhängen. Die geringeren SO42--Mehrausträge im Untersuchungsgebiet Villingen (22 % der Aufwandmenge) im Vergleich zu Schluchsee (50 % der Aufwandmenge) für den 7jährigen Bilanzierungszeitraum nach der Ausbringung sind mit geringeren Wasserflüssen (mittlerer Gebietsabfluß: Villingen 465 mm; Schluchsee 1417 mm) und langsamerer Sickerwasserbewegung erklärbar.

Die wiederholte, insgesamt dreimal erfolgte (NH4)2SO4-Behandlung zeigte deutliche Unterschiede in der Reaktion des N-Umsatzes an beiden Standorten. Zugegebenes NH4+ wurde in Schluchsee trotz der stark sauren Bodenreaktion in erheblichem Umfang nitrifiziert. Die N-Austräge stiegen schon nach der ersten Behandlung mit 150 kg ha"1 N auf das sechsfache der Werte des unbehandelten Gebietes an. Am durch Übernutzung in der Vergangenheit N-verarmten Standort Villingen, an dem im unbehandelten Gebiet nahezu kein N-Austrag meßbar war, führte dagegen erst die dritte Behandlung zu N-Austrägen in der Größenordnung der Einträge. Das Ausmaß der durch die experimentelle Behandlung ausgelösten Versauerung im Vorfluter war allerdings nicht nur vom Nitrifikationspotential abhängig. Die am Standort Schluchsee höhere Protonenbelastung durch Nitrifikation konnte im tiefen Untergrund in erheblichem Maße abgepuffert werden. Differierende SO42'-S-Mehrausträge nach den Behandlungen sind ebenfalls mit unterschiedlich hohen Wasserflüssen erklärbar. Allerdings war in Villingen eine stärker ausgeprägte S-Retention im Oberboden als in Schluchsee zu beobachten, wo die SO42-Adsorption durch organische Substanz deutlich eingeschränkt ist.

Die Behandlung mit 4 t ha-1 dolomitischem Kalk in Schluchsee hatte erwartungsgemäß nur geringe Gebietsverluste der ausgebrachten Elemente Ca und Mg (1 bzw. 3 % der Aufwandmenge sechs Jahre nach Ausbringung) zur Folge. Im Bodensickerwasser wurden für die ersten drei Jahre nach der Behandlung deutlich erhöhte NO3--Konzentrationen beobachtet. Im Gebietsaustrag waren allerdings keine signifikant höheren NO3--Konzentrationen nachzuweisen. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, daß in den grundwasserbeeinflußten Böden entlang des Bachlaufes eine Reduktion des NO3- stattfindet und deshalb mit gasförmigen N-Verlusten zu rechnen ist. Die Mg2+-Konzentrationen zeigten auch sechs Jahre nach der Ausbringung noch ansteigende Tendenzen im Bodensickerwasser. Deutlich sichtbare Konzentrationsanstiege im Bachwasser waren daher nur bei Mg2+ vorhanden. Eine durchgreifende Erhöhung der Pufferkapazität und des pH-Werts im Bachwasser trat nach der Kalkung nicht ein. Die dolomitische Kalkung hatte einen gewissen Einfluß bei Hochwasserabflüssen. Im Vergleich zur Kontrolle zeigten sich hier tendenziell höhere Säureneutralisationskapazitäten und geringere AI-Konzentrationen. Zur Simulation der Stoffflüsse wurde für den Standort Schluchsee das Stoffhaushaltsmodell NuCM angepaßt. Dieses Modell beschreibt dort sowohl die Wasserflüsse als auch die jährlichen Elementausträge mit hinreichender Genauigkeit. Der N-Haushalt und die zeitliche Variabilität einiger anderer Elemente im Bodensickerwasser und im Gebietsaustrag werden dagegen nicht befriedigend nachvollzogen. Übereinstimmungen der jährlichen Gebietsausträge als alleiniges Kriterium für die Güte einer Simulation werden jedoch als nicht ausreichend angesehen. Nach Kalibrierung und Validierung wurde außerdem die experimentelle MgSO4-Behandlung mit dem Modell simuliert. Diese Simulation ergab zusätzliche Hinweise auf die Güte der Modellvorhersagen, da die Simulationsergebnisse direkt mit den Messungen verglichen werden konnten. So zeigten sich v. a. Diskrepanzen bei der Modellierung der SO42"- und Mg2+-Sorption sowie der Retention der Elemente S und Mg in der Biomasse nach der Behandlung. Die Prognose längerfristiger Stoffflüsse mit dem Modell NuCM erscheint aufgrund der Simulationsergebnisse nicht ratsam. Modelle sind zwar wertvolle Hilfsmittel zur Erweiterung des Verständnisses von Prozessen in Waldökosystemen, können aber intensive Feldbeobachtungen nicht ersetzen.